Sonntag, 8. November 2009

Brief einer Demonstrantin in Iran: Meine Erlebnisse am 13. Aban

Veröffentlicht auf Persian2english am 7. November 2009
Übersetzung aus dem Persischen: Persian2English
http://persian2english.wordpress.com/2009/11/07/a-letter-from-a-protester-in-iran-my-experience-on-13-aban/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben


(Anmerkung: Das folgende ist ein Bericht aus erster Hand von einer jungen Demonstrantin und ihren Erlebnissen am 13. Aban. Der Bericht wurde aus dem Persischen ins Englische übersetzt. Danke an Cheyenne für die Übersetzung.)

Gestern war es extrem beängstigend. Es war wie in der Höhle des Löwen! Karroubi hatte angekündigt, dass er um 10:30 am Haft-e Tir sein würde. Ich ging mit einigen Freundinnen los, wir dachten, wir könnten friedlich hinter Karroubi marschieren, wie am Quds-Tag.

Ich kam gegen 9:30 am Haft-e Tir an und sah eine riesige Anzahl von Basijis. Ich habe niemals so viele Basijis gesehen. Es gab auch sehr viel Polizei und Zivilpolizisten mit Schlagstöcken. Ich stieg aus dem Taxi aus, um am Verkehr vorbeizukommen und ging unauffällig durch die Gruppen von Sicherheitskräften, um meine Freundinnen zu treffen.

Unterwegs sah ich, wie mehrere grüngekleidete Leute verhaftet wurden. Ich fand meine Freundinnen, und wir gingen los Richtung Haft-e Tir. Die Cousine meiner Freundin war sehr mutig, sie trug einen grünen Schal und ging lächelnd an den Basijis vorbei! Als die Menschenmenge größer wurde, fingen wir an, unsere Hände zu heben und "Allah-o Akbar" und "Tod dem Diktator" zu rufen. Anfangs reagierte die Polizei nicht. Die Leute baten die Polizei, nicht zuzulassen, dass die Basijis sie schlagen, aber die Polizisten lachten sie aus.

Wir riefen Parolen, und irgendwann kamen die Basijis auf uns zu, um anzugreifen. Wir flüchteten. Es war wirklich schrecklich!

Wir fingen wieder an, Parolen zu rufen, "Die russische Botschaft ist ein Spionennest" und "Tod dem Diktator". Auf einmal griffen die Basijis wieder an, und wir flüchteten wieder. Ich hielt die Hand meiner Freundin Niloofar, als wir von hinten mit einem Schlagstock geschlagen wurden. Ich schrie nur "nicht schlagen!" Einige der Basijis waren wohl ziemlich human und sagten nur, wir sollten verschwinden, also liefen wir weg. Ich wurde von Niloofar getrennt. Ich lief allein weiter, als ein anderer Basij vor mir auftauchte. Ich wusste, dass er mich angreifen wollte, und ich schrie ihn an, er solle mich nicht schlagen. Er trat mir in die Brust. Ich glaube, er konnte Kampfsport. Er schlug mich und rannte weg.

Ich hatte Schmerzen, ich rannte und weinte. Ich lief zu Atefeh (einer anderen Freundin). Ihre mutige Cousine war Richtung Vali-Asr unterwegs, weil sie gehört hatte, dass Moussavi dort sein würde. Atefeh und ich suchten nach Niloofar. Überall, wo wir hinsahen, waren Polizei und Basijis mit Schlagstöcken. Es war klar, dass sie sich absichtlich unter die Menge mischten, um Kämpfe zu provozieren, damit es so aussah, als ob die Demonstranten gewalttätig wären. Es war alles nur Show!

Mitten in der ganzen Gewalt sah ich einen Basij mit einem elektrischen Schlagstock - es war furchteinflößend. Die armen Leute waren total verstreut. Wir riefen "nicht Amerika, nicht Russland, unsere Bewegung kommt vom Volk". Aber die Gewalt war so intensiv, dass die Menschen nicht zusammen bleiben konnten. Ich hatte sehr starke Schmerzen, es machte mich wahnsinnig. Meine mutige Freundin Atefeh sagte immer wieder zu mir "schluck es runter, wir sind hergekommen, um ihre Schläge auszuhalten!" Aber ich konnte es nicht länger aushalten und bat Atefeh, mit mir zu kommen, bevor wir von den Wilden verhaftet werden würden. Aber Atefeh hörte nicht auf mich und wollte dort bleiben. Ich ging allein und unter Schmerzen nach Hause.

Ich machte mir Sorgen um Niloofar, weil ich sie bei dem Angriff aus den Augen verloren hatte. Als ich nach Hause kam, bekam ich einen Anruf von Atefeh. Sie erzählte, dass sie zusammen mit ein paar anderen Leuten angegriffen wurde und sich im Parkhaus eines Wohnhauses in Sicherheit bringen konnte. Sie sagte, dass sie den Polizisten ein paar gute Schläge verpasst hatte! Zwei Stunden später bekam ich einen Anruf von Niloofar. Sie war sicher zu Hause angekommen, und sie erzählte, dass sie an der Teheran-Universität vorbeigekommen war, und drinnen seien alle in Grün gewesen und hätten Parolen gerufen, und die Polizisten hätten vor dem Tor gestanden, hätten aber nichts unternommen.

Zwischen 15 und 16 Uhr rief Atefeh noch einmal an. Sie war endlich zu Hause angekommen, aber das arme Mädchen war ziemlich schlimm geschlagen worden und musste sich in drei verschiedenen privaten Parkhäusern verstecken. Später erfurh ich, dass in ganz Teheran Demonstrationen stattgefunden hatten: Vali-Asr, Enghelab, Taleghan, Ferdosi, Vanak, Arjantin, Seid Khandan. Aber die meiste Gewalt gab es am Haft-e Tir, weil Karroubi dort war. Sogar Karroubi wurde mit Tränengas beschossen und musste die Demonstration bald wieder verlassen.

Das war mein Bericht. Leider konnte ich nicht so aktiv mitmachen. Die Wahrheit ist, dass ich nicht besonders mutig bin. Wenn die Gefahr bestünde, dass ich verhaftet werde, würde ich nicht weitermachen. Es macht mir nichts aus, geschlagen zu werden, aber verhaftet zu werden ist unerträglich.
Es gab nicht nur in Teheran einen Aufstand, auch in Tabriz, Isfahan und sogar in Shiraz!

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