Donnerstag, 27. August 2009

Beheshte Zahra July 13-15 - Deutsch

Quelle der englischen Übersetzung: http://minaakbari.wordpress.com/
Übersetzung Farsi-Englisch: Suzi Mansourian

Übersetzung Englisch-Deutsch: Julia


"Was geschah auf dem Behesht-e Zahra-Friedhof am 13., 14. und 15. Juli 2009?"

Ich bin Studentin an der Universität. Ein Mitglied meiner Familie arbeitet auf dem Behesht-e Zahra-Friedhof. Wir gehören einer wirtschaftlich schlecht gestellten Klasse an, und wir alle unterstützen Ahmadinejad (ob es euch gefällt oder nicht!) Aber wir glauben, dass es einen Wahlbetrug gegeben hat! Wir sind für die Regierung Ahmadinejad, weil sie alle Angestellten des Friedhofs (besonders uns) mit Wohnungen versorgt hat. Ich glaube daran, dass es eine andere Macht ist als Ahmadinejad, die all diese Verbrechen begeht, und wenn er [Ahmadinejad] von diesen Verbrechen wüsste, würde er ganz sicher gegen sie vorgehen. Vielleicht kann er aus irgendeinem Grund nicht zeigen, dass er gegen diese Verbrechen ist - lasst uns hier nicht darauf eingehen.

Meine Mutter, die seit langem auf dem Friedhof arbeitet und Nachtschichten in der Serviceabteilung macht, erzählte uns, dass sie am 13., 14. und 15. Juli Informationen bekamen, dass Leichen von mehreren Unfallopfern erwartet würden, die bei Nacht begraben werden sollten! Wir alle waren überrascht, und ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

Ich fragte meine Mutter immer wieder nach den Leichen von den Menschen, die während der Proteste getötet wurden, aber sie wollte meine Gefühle schonen und sprach gewöhnlich nicht darüber, sondern sagte, ich solle mich lieber auf mein Studium konzentrieren. Dieses Mal aber sollten [die Bestattungen] während der Nachtschichten stattfinden. Zwar gab es öfter nächtliche Beerdigungen, wenn es Unfälle gegeben hatte und man wegen Verspätungen mehr Zeit brauchte. Dieses Mal aber waren es drei Nächte hintereinander! Ich wollte meine Mutter eigentlich hinbringen, aber sie sagte, sie würde abgeholt.

Sie kam um 6 Uhr morgens nach Hause, und ich fragte sie, was los gewesen sei. Sie antwortete nicht, aber ich konnte Sorge und Trauer in ihrem Gesicht sehen. Ich fragte noch einmal. Sie sagte mir, ich solle schlafen gehen! Sie hatte am nächsten Tag frei und kümmerte sich um den Haushalt. Ich sah ihre Hände, auf denen Stempelfarbe zu sehen war, so als ob sie ihren Fingerabdruck irgendwo hingesetzt hätte. Ich fragte sie "Möchtest du mir nicht sagen, was passiert ist? Waren das wirklich Unfallopfer?" Sie sagte, ich solle still sein und dass sie sich nicht gut fühlt. Ich fragte nicht weiter.

Um Mitternacht bekam sie einen Anruf auf ihrem Handy, dann wurde sie wieder abgeholt. Dieses Mal kam sie am nächsten Morgen um 7 Uhr zurück und sah sehr traurig und müde aus. Sie ging schlafen. Um 9 Uhr hörte ich sie weinen. Ich stand auf und sagte zu ihr "Entweder sagst du mir jetzt sofort, was los ist, oder ich fahre nach Behesht-e Zahra und finde es selbst heraus". Sie sagte, es sei nichts. Ich sagte: "Dann rufe ich jetzt Tante Mahin (ihre Kollegin) an und frage sie". Meine Mutter sagte, Tante Mahin wisse nichts darüber. Ich sollte erwähnen, dass die Arbeit meiner Mutter sehr hart ist und dass sie deswegen sehr stark ist. Ich habe niemals vorher erlebt, dass sie wegen ihrer Arbeit weint, obwohl sie ein sehr weiches Herz hat.

Ich bestand darauf, dass sie mir sagt, was vor sich geht. Ich musste bei dem Grab meines Vaters schwören, nicht weiterzusagen, was sie mir erzählen würde. Ich willigte ein. Sie holte den Heiligen Koran, und ich musste mich waschen, meine Hand darauf legen und schwören, niemals etwas zu erzählen (ich habe mich sehr gewundert! Es schien sehr wichtig für sie zu sein, all das zu "vertuschen". Nie zuvor hatte sie von mir verlangt, einen solchen Schwur zu leisten). Sie sagte, sie würde dabei hauptsächlich an meine Sicherheit denken.
Jedenfalls leistete ich den Schwur, so wie sie es wünschte. Dann begann sie:

"Vorletzte Nacht (am 13. Juli), als ich in die Abteilung kam, sah ich ungefähr 30 gefrorene Leichen, die zum Auftauen dort lagen. Es waren viele bärtige Männer da, sie brachten mich und meine Kollegen in ein Zimmer. In dem Zimmer war ein älterer Mann mit einem Stempelabdruck auf seiner Stirn. Er sagte uns, dass wir in mehreren Nächten die Leichen einiger Feinde begraben müssten. Er sagte, sie seien antirevolutionär gewesen und hätten sie angegriffen und mehrere ihrer Soldaten getötet. Sie erklärten uns, dass sie die Leichen zur Identifizierung ins Land gebracht hätten, und dass sie abseits von Medien und den Augen von Spionen begraben werden müssten.
Er sagte, wenn wir darüber mit irgendjemandem sprechen würden, wäre unser und das Leben unserer Familien in großer Gefahr. Dann mussten wir unsere Nachnamen sagen, und er schrieb sie auf. Am Ende nahmen sie unsere Fingerabdrücke und erinnerten uns noch einmal daran, was er gesagt hatte. Dann brachten sie uns zurück an unsere Arbeitsplätze. Die meisten Leichen waren männlich, und es gab unter uns auch mehr männliche Arbeiter. In der Frauenabteilung waren wir nur wenige. In dieser Nacht gaben sie uns fünf Leichen von Frauen und Kindern, vollständig gefroren, aber ich glaube, in der Männerabteilung waren mehr als 20 Leichen.
Der Direktor des Friedhofs war auch da, und er sagte uns, dass wir bis 5 Uhr morgens, also vor Sonnenaufgang fertig sein müssten, selbst wenn wir es nicht schaffen würden, alle fünf Leichen vollständig zu waschen und zu begraben. Auf den Gesichtern der Frauen war gefrorenes Blut, und wir konnten schwere Verletzungen in ihren Gesichtern erkennen. Drei von ihnen waren in mittlerem Alter, zwei waren zwischen 20 und 30 Jahre alt. Der Kopf einer der Jüngeren war vollkommen aufgebläht. Das Eis schmolz nur schwer, und sie waren hart wie Holz. So haben wir sie begraben."

Meine Mutter wollte nicht weiterreden über die Dinge, die sie am 14. Juli gesehen hatte, aber ich bestand darauf.

Sie fuhr fort:
"Heute nacht sind wir wieder hingefahren, und es waren vier Mal so viele Leichen dort! Über 100! In der Frauenabteilung gab man uns 23 Leichen ohne Identität. Von den bärtigen Männern (Zivilpolizisten) gab es ebenfalls drei- oder vier Mal mehr als in der Nacht zuvor. An den Toren zum Friedhof standen Wachen, alle Eingänge wurden kontrolliert. Wir fingen an zu arbeiten. Aber wir sagten, dass wir bis 5 Uhr morgens nicht fertig werden könnten. Der ältere Mann mit dem Stempel auf der Stirn kam herein, und wir protestierten, denn Männer waren in der Frauenabteilung nicht erlaubt. Er sagte uns, dass all diese Frauen Prostituierte, Mörderinnen und Landesverräterinnen seien. Er sagte, er würde uns Verstärkung aus der Männerabteilung bringen! Aber es gab auch viele Leichen dort. Jedenfalls kamen drei der männlichen Mitarbeiter (zum ersten Mal) in die Frauenabteilung und halfen uns. Was mich am meisten empörte, war der Anblick der gefrorenen Mädchenleichen, die nicht nur gebrochene Kiefer, sondern auch geronnenes Blut an ihren Genitalien hatten. (Als Karroubi die sexuellen Übergriffe enthüllte, war ich sehr schockiert, denn wir hatten vermutet, dass mit diesen Frauen in der Haft so etwas geschehen sein könnte.)
Heute Nacht waren die Leichen nicht so stark gefroren, aber wir konnten die Markierungen sehen, die das Eis auf ihnen hinterlassen hatte. Unter ihnen waren Mädchen, die jünger als 20 waren. Wir arbeiteten sehr schnell, und mit der Hilfe der Männer waren wir um 4 Uhr morgens mit 14 von ihnen fertig. Dann brüllten die Männer uns an, wir sollten die anderen begraben, ohne sie zu waschen und einzuwickeln. Das haben wir auch getan. Bis 5 Uhr hatten wir 17 Leichen begraben. Sie sagten uns, wir sollten die letzten sechs zudecken und sie begraben lassen, aber ihr Boss sagte, dass es bereits zu spät sei und nur noch wenig Zeit war bis Sonnenaufgang, so dass der Rest in der folgenden Nacht erledigt werden müsste."

Meine Mutter hatte Tränen in den Augen. Sie sagte, sie müsse morgen wieder hingehen, es wäre die letzte Nacht. Meine Mutter hatte von ihren Kolleginnen gehört, dass diese Leichen alle von den jüngsten Protesten gegen die Wahl stammten. Am 15. Juli fuhr sie wieder nach Behesht-e Zahra, und ich konnte nicht schlafen. Ich wartete auf sie. Sie kam gegen 7 Uhr morgens zurück. Ich lief zu ihr und griff nach ihren Händen. Sie setzte sich hin und sagte, ich solle nicht weitersagen, was sie mir erzählt hätte. Sie sagte, dass sie in dieser Nacht die Leichen ohne Vorbereitung begraben hätten, und dazu noch die restlichen Leichen der vorigen Nächte.
Einige Wochen später hörte meine Mutter, dass nicht alle Leichen nach Behesht-e Zahra gebracht worden waren, sondern einige auch an unbekannte Orte. Einer der Angestellten des Bestattungsdienstes, mit dem wir befreundet sind, sagte, dass sie einige Gräber leer lassen mussten, und wenn jemand seinen verstorbenen Angehörigen beerdigen lassen wollte, sollten sie diese leeren Gräber benutzen. Die Nummern der Gräber brauche ich nicht zu sagen, denn die wurden ja von BBC genannt.

Ich sollte noch sagen, dass sie [BBC?] in ein paar Tagen mit dem Direktor von Behehst-e Zahra darüber sprechen werden, warum er Nummern statt Namen für die Gräber verwendet hat. Ich gebe diese Informationen weiter, obwohl ich geschworen habe, es nicht zu tun. Es ist mir egal, was passiert. Auch wenn sie für Mousavi waren und ich gegen sie war, so waren sie trotzdem meine Mitbürger, und mein Leben ist nicht mehr wert als ihres.

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