Übersetzung aus dem Englischen: Julia
Quelle: http://www.madyariran.net/?p=1437
Die Praxis der Vergewaltigung von Gefängnisinsassen, die von Karroubi in seinem Brief an Rafsanjani zur Sprache gebracht wurde, existiert in der Islamischen Rebpublik Iran seit drei Jahrzehnten. Viele Inhaftierte haben in ihren Memoiren darüber geschrieben, und es hat immer Gerüchte über dieses Thema gegeben. Vergewaltigung von Gefängnisinsassen ist eine der furchtbarsten Formen der Menschenrechtsverletzung im Iran, aber bis jetzt ist nicht viel darüber gesagt worden, obgleich diese Praxis weit verbreitet ist. Des sozialen Stigmas wegen legten die Menschen bei diesem Thema große Zurückhaltung an den Tag, und ein Eingeständnis dieser Praxis hätte für die Islamische Republik tiefgreifende Folgen gehabt.
Jetzt jedoch ist das Tabu gebrochen; Rafsanjani, die zweitmächtigste Figur des Regimes, wurde öffentlich über die Vergewaltigungen in den Gefängnissen informiert. Eine Tür wurde geöffnet, und nun muss das Thema diskutiert werden.
Ich habe während meiner Haft viel über Vergewaltigungen gesehen und gehört. Nun, da die Diskussion über dieses Thema eröffnet ist, möchte ich einige dieser Geschichten aus meiner Erinnerung hervor holen und sie weitererzählen, damit wir mehr darüber wissen, wer diese Vergewaltiger sind.
Eins. Vielleicht erinnert ihr euch an den Blogger-Fall von 2004 oder habt davon gehört. In einer Sitzung mit Ayatollah Shahroudi brachten die Blogger die sexuelle Natur der Fragen zur Sprache, die ihnen während der Verhöre gestellt wurden. Was der Ayatollah über ihre Behandlung erfuhr, quälte ihn derart, dass er alle Anklagen gegen sie fallen ließ.
Zu der Zeit, als die Blogger dem Chef der Justiz von ihren Qualen berichteten, befand ich mich in Einzelhaft und wurde von meinen Befragern einer ähnlichen Verhörpraxis unterzogen. Die Begriffe "Cola-Flasche" und "Schlagstock" wurden von ihnen ständig benützt, sie drohten mir damit, dass sie diese Gegenstände bei mir anwenden würden, aber das war für mich nicht das Wichtige. Was mich in dieser Zeit am meisten verletzte, waren ihre Fragen über meine sexuellen Beziehungen zu Mädchen, die meine Klassenkameradinnen oder Kolleginnen waren. Ich wurde außerdem über die sexuellen Beziehungen meiner Freunde ausgefragt. Während der langen Verhöre geschah dies immer wieder.
Zwei. Die Vernehmungsräume der Abteilung 352 des Gefängnisses der Islamischen Revolutionsgarde umfassten 6 Zimmer. Die Zimmer lagen am Ende eines kurzen Korridors, der für Pausen genutzt wurde. In manchen Nächten waren alle sechs Räume belegt, andere Insassen wurden dort verhört. Oft konnte man ihre Schreie und Rufe hören, die in den Himmel stiegen, während sie gefoltert wurden (dies zur Kenntnisnahme für diejenigen, die die Häftlinge vor Gericht bringen und ihnen verbieten, über Folter zu sprechen). In manchen Nächten befanden sich sechs Blogger in den sechs Verhörräumen, und wir konnten die lauten Stimmen der Befrager und die qualvollen Schreie unserer Freunde hören (in den ersten 40 Tagen meiner Einzelhaft wurden 20 weitere Blogger eingeliefert). Zwei der Blogger waren befreundet und waren zusammen verhaftet worden. Ich werde ihre Namen nicht nennen, damit sie nicht erkannt werden. Man schlug sie beide, damit sie zugaben, eine sexuelle Beziehung miteinander zu haben. Der eine wurde gefragt, ob er mit der Freundin seines Freundes Sex habe, und der andere, ob er jemals mit 2 Mädchen gleichzeitig Sex gehabt habe. Diese Verhörweise hatte beide unter extremen psychologischen Druck gesetzt. Ich hörte die Befragungen mit an und war wie erstarrt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was sie durchmachten.
Im Gefängnis pflegten wir 3 Mal gegen die Wand zur Nachbarzelle zu klopfen, um einander zu rufen. Wenn der andere Gefangene das Klopfen hörte, ging er zur Luke, und man konnte miteinander sprechen. In den folgenden zwei Tagen klopfte ich immer wieder gegen die Wand, aber A antworte nicht. Nach zwei Tagen klopfte er selbst. Als er mir erzählte, was geschehen war, war ich wie erstarrt. Der Wärter hatte den Raum betreten, ohne jegliche Verlegenheit oder Bedenken seine Hosen heruntergelassen und ihn aufgefordert ...
Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich es. Ich begriff, dass der Wärter dies schon vorher mehrmals getan hatte. An den Tagen, wo dieser Wärter Dienst hatte, rief A niemals nach den Wärtern, um in den Waschraum gehen zu können. Das ging solange, wie A in meiner Nachbarzelle war. Eines Tages, als zwei Beamte (ich weiß nicht mehr, woher sie waren) zu Besuch waren, erzählte ich ihnen von A. Sie sagten, sie würden der Sache nachgehen, aber nichts geschah.
Vier. Sechs Monate später wurde ich ins Ghezel Hessar Gefängnis in eine Abteilung verlegt, wo wegen Mordes angeklagte Afghanen untergebracht waren. Afghanische Häftlinge wurden schlecht behandelt, weil sie draußen niemanden kannten, der sich um ihre Fälle oder ihre Rechte kümmerte. Eines Tages gegen 7 Uhr morgens wurden wir von Stöhnen und Weinen geweckt, das aus den Wächterquartieren kam. Uns wurde gesagt, dass einer der Afghanen aus unserer Zelle einen Streit mit einem der Wächter gehabt habe und vor 20 Minuten fortgebracht worden war. Ich schlug vor, dass der Zimmerälteste gehen und nachschauen sollte, was geschah. Er ging fort, und als er wieder kam, konnte er nicht sprechen. Er sagte, unser afghanischer Zellengenosse sei von einem Schlagstock penetriert worden. Ich konnte meine Beine nicht mehr spüren und musste mich hinsetzen. Ich konnte nicht glauben, dass das, was ich da hörte, wirklich passiert war.
Eine Stunde später brachten andere Insassen Mostafa R (den besagten Afghanen) zurück in den Raum. Seine Hose war blutig. Er ging, um zu duschen. Während er fort war, schrieb ich eine Beschwerde über die Wärter an den Aufseher des Gefängnisses. Als Mostafa vom Duschen zurück kam, bat ich ihn, den Brief zu unterschreiben, was er tat. Wir schickten den Brief an den Aufseher, und eine halbe Stunde später kamen sie zurück und brachten Mostafa ins Büro. Am Nachmittag kam er mit Kuchen, Saft und Geld zurück. Während ich ihn noch erstaunt betrachtete, wurde mein Name aufgerufen. Der diensthabende Wächter und der Aufseher warteten auf mich. Der Aufseher sagte, ich solle meine Nase nicht in die Angelegenheiten von anderen Häftlingen stecken. Ich sagte, sie müssten der Beschwerde nachgehen. Sie antworteten: "Welcher Beschwerde?" und zeigten mir einen von Mostafa unterschriebenen Brief, in dem stand, dass er gegen niemanden eine Beschwerde eingereicht habe und dass ihm nichts Schlimmes angetan worden sei. Sie hatten bei ihm offenkundig die alte Taktik "Zuckerbrot und Peitsche" angewandt.
Fünf. Häftlinge, die jünger als 20 sind, werden oft von anderen Häftlingen vergewaltigt, die körperlich stärker sind als sie. Die Gefängnisleitung geht diesen Fällen nie nach und nimmt sie nicht ernst. Wenn ich all meine Erinnerungen an solche Fälle aufschreiben würde, hätte ich über viele Fälle zu berichten. In diesem Artikel sind nur einige wenige Beispiele erwähnt, die ich gesehen habe. In den zwei Jahren meiner Haft gab es hunderte von Vergewaltigungsfällen, die ich miterlebt und von denen ich gehört habe. Ich werde sie später nach und nach aufschreiben.
Postskriptum
Ich habe in dem Notizbuch geblättert, in dem ich meine Erinnerungen an meine Tage im Ghezel Hessar-Gefängnis aufgeschrieben habe. Ich hatte gehofft, sie nach meiner Freilassung auf meinem Weblog zu veröffentlichen und all die Tage zu kompensieren, in denen ich es nicht aktualisieren konnte (ich habe sie noch nicht veröffentlicht, aber vielleicht werde ich es eines Tages tun). Auf vielen Seiten dieses Notizbuches stand der Name meiner geliebten Freundin Shiva Nazar Ahari. Während meiner Haftzeit hatte Shiva mir immer beigestanden und hatte alles getan, um mir zu helfen. Ich rief sie jeden Tag an, und sie las mir die Nachrichten des Tages am Telefon vor. Beim Lesen der Notizen stieß ich auf eine Seite, und mir kamen die Tränen:
"Heute habe ich nach einer Woche endlich Shiva anrufen können, ... war anwesend. Sie sagte: "Wo warst du? Ich vermisse dich und verzeihe dir nicht, dass du nicht angerufen hast. Ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht und dachte, sie hätten dir etwas angetan..."
Shiva ist seit fast zwei Monaten im Gefängnis, und sie kann mich nicht anrufen; sie kann nicht einmal ihre Mutter anrufen. Ich vermisse sie so sehr, und ich mache mir furchtbare Sorgen um sie.
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