Mittwoch, 14. Oktober 2009

"Behnoud Shojaee wurde vor meinen Augen hingerichtet"

Veröffentlicht am 13. Oktober auf "Committee of Human Rights Reporters"
Quelle (Englisch): http://schrr.net/spip.php?article6242
Übersetzung: Julia
Bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben

Den ganzen Tag wartete ich darauf, dass es Zeit wäre, nach Evin zu fahren. Ich traf mich mit Koohyar Goodarzi, und gegen 2:30 Uhr morgens fuhren wir hin. Als wir ankamen, hatten sich schon fast 200 Menschen vor dem Tor versammelt. Viele Aktivisten und Trauernde Mütter waren darunter. Wir alle warteten darauf, dass die Familie des Opfers (Ehsan) eintreffen würde. Eine Stunde später sahen wir die Eltern des Opfers in Begleitung ihrer Tochter und ihres Sohnes ankommen. Alle gingen zu ihnen und baten sie, ihr Einverständnis zur Aussetzung der Hinrichtung zu geben. Nach einiger Zeit sagten die Eltern, dass sie Behnoud vergeben würden. Die Atmosphäre war bedrückend.

Dann öffnete sich das Tor, und Herr Oliyifar, die Eltern der Opfer und ich gingen hinein. Wir warteten im Warteraum. Wir dachten, dass die Eltern ihr Einverständnis geben würden und Behnoud gerettet werden könnte. Wir hörten die Menge draußen beten. Einige Minuten später wurden wir in einen anderen Raum gebracht, wo wir Behnoud und ein paar [fehlt] sahen. Als die Eltern des Opfers den Raum betraten, fiel Behnoud vor ihnen auf die Knie und flehte sie an, ihn nicht zu töten. Die Mutter sagte: "Ich kann im Moment nicht denken. Ich muss das Seil um seinen Hals legen." Dann hörten wir den Ruf zum Gebet (Azan). Behnoud ging in ein anderes Zimmer, um sein letztes Gebet zu verrichten. Er bat Gott um Vergebung. Nach dem Gebet gingen wir alle zusammen zur Hinrichtungsstätte. Mir graute, ich zitterte am ganzen Körper. Ich wusste nicht, was mit diesem mutterlosen Jungen passieren würde.

Als Behnoud die Eltern anflehte, sagte er zur Mutter des Opfers: "Ich habe keine Mutter. In Gottes Namen, seien Sie meine Mutter und richten Sie mich nicht hin." Wir alle betraten einen Raum, in dem ein Metallhocker stand, darüber hing eine blaue Kunststoffschlinge von der Decke. Behnoud, der immer davon geträumt hatte, im letzten Moment seines Lebens den blauen Himmel zu sehen, sah nur ein blaues Seil.

Die Eltern gingen hinein, und Behnoud wurde eine Weile darauf gebracht. Dies war der Raum, in dem Menschen durch den Strang sterben. Ich habe nie gesehen oder gehört, dass nur eine einzige Person hingerichtet wird. Ich fragte mich, warum Behnoud allein gehenkt wurde. Vielleicht hatte er einfach Pech, dass er allein in den Himmel aufsteigen musste.

Die Leute, die im Raum waren, baten die Eltern noch einmal darum, Behnoud zu vergeben. Die Mutter sagte: "Legt ihm die Schlinge um". Behnoud stieg auf den Hocker, und die Schlinge wurde um seinen Hals gelegt. Einige Augenblicke später gingen die Eltern des Opfers hin und zogen den Hocker unter seinen Füßen weg. Behnoud fuhr gen Himmel.

Ich konnte es nicht ertragen, das mit anzusehen; in dem Moment, als der Hocker weggezogen wurde, wurde es schwarz um mich herum.

Jetzt ist Behnoud nicht mehr im Gefängnis. Er ist nicht mehr bei seinen Freunden, die nur Leere fühlen und sehen, wo er einst war.

Ich tat alles, was menschenmöglich war, um ihn zu retten, und ich habe versagt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Behnoud es nicht verdient hat, zu sterben.
Er hätte nicht hingerichtet werden dürfen.

Aber er wurde. Hingerichtet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen