Donnerstag, 17. September 2009

Hintergründe zum Quds-Tag

Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2009/09/17/qods-day-a-protest-for-palestine-or-against-irans-government/
Übersetzung: Julia

Anmerkung: Der Artikel gibt nicht die Meinung der Übersetzerin wieder, insbesondere bezüglich mancher Theorien über die soziale Struktur des Protests oder die Haltung der Reformbewegung zum Thema Israel/Palästina.

Meir Javedanfars stellt diesen hilfreichen, ursprünglich auf der Webseite des "Guardian" veröffentlichten Überblick zum Qods-Tag zur Verfügung — “Ein Grüner Tag für Iran”:

Der Internationale Jerusalem-Tag (Rooze jahaniye Qods) wird im Iran am letzten Freitag des heiligen Monats Ramadan begangen. In diesem Jahr fällt das Ereignis auf den 18. September.

Ins Leben gerufen wurde der Jerusalem-Tag (Anmd. d. Übers. "Quds" ist der arabische Name für Jerusalem) von dem verstorbenen Ayatollah Khomeini als Tag der Unterstützung für die Palästinenser und Opposition gegen Israel. Für diesen Tag erlaubt die Regierung hunderttausenden Iranern, auf den Straßen zu demonstrieren.

Manche beteiligen sich aus echter Unterstützung für die Palästinenser. Andere machen auf Druck der Regierung mit. Dies trifft insbesondere auf Staatsbedienstete zu. Manche befürchten negative Folgen für ihre berufliche Sicherheit und Karriere, wenn sie nicht teilnehmen. Was die Menge der Demonstranten betrifft, so gibt es keine Beschränkung der Teilnehmerzahl. Aus Sicht der Regierung gilt: je mehr, desto besser.

Dies steht in direktem Kontrast zu den Demonstrationen der Reformer. Die Regierung Ahmadinejad mit ihrer Strategie der Gewalt und Einschüchterung hat das ihr Möglichste getan, um solche Demonstrationen einzuschränken, wenn nicht gar völlig zu unterbinden. Dies zwang viele iranische Demonstranten zu neuen Wegen, um ihre Opposition mit scheinbar legalen Mitteln zu artikulieren. Eine beliebte Methode besteht darin, aufs Dach zu steigen und “Allahu akbar” (Gott ist der Größte) zu rufen. Das ist nicht gegen das Gesetz. Tatsächlich ist das ein Protestmittel der Revolution von 1979.

In dem nahenden Qods-Tag sehen die oppositionellen Kräfte im Iran eine weitere Möglichkeit, ihrem Ärger auf legale Weise Ausdruck zu verleihen. Was sie betrifft, so ist es für alle Iraner legal, an diesem Tag offen auf den Straßen zu demonstrieren. Die Teilnahme ist nicht durch interne politische Ideologien eingeschränkt. Darum planen die Reformer in Städten wie Teheran, den diesjährigen Quds-Tag zu einem "grünen" Tag zu machen.

Besonders klug an dieser Strategie ist, dass die Farbe Grün zwar als Ahmadinejad-feindliche Farbe gilt, im Zusammenhang mit Palästina jedoch selbst für Ahmadinejad-Anhänger eine bevorzugte Farbe ist, denn es ist die Farbe der Hamas. Darum wird es am Quds-Tag sehr schwierig für die Regierung werden, Menschen, die Grün tragen, von der Demonstration auszuschließen oder zu verhaften, da sie sich mit ihrer Solidarität für Hamas rechtfertigen können. Tatsächlich werden wir einige Ahmadinejad-Anhänger in Grün sehen.

Der diesjährige Quds-Tag ist eine wichtige Gelegenheit für die iranische Reformbewegung. Sehr wahrscheinlich werden sie diese voll ausnutzen, denn die Zahl der Demonstrationen im Iran ist wegen der gewaltsamen Niederschlagung durch die Regierung zurückgegangen.

Dazu kommen andere Probleme, denen sich die iranische Reformbewegung vor und nach den letzten Präsidentschaftswahlen gegenüber sieht. Eines davon ist, dass die Bewegung zahlenmäßig auf die großen Städte, insbesondere Teheran, beschränkt war. Kleinere Städte und Dörfer in ländlichen Gebieten haben weniger Unterstützung gezeigt, weil sie nicht an das Internet angeschlossen sind, wodurch es für die Reformkampagnen schwieriger war, sie zu erreichen und ihre Unterstützung vor und nach der Wahl zu mobilisieren.

Und dann ist da noch die Tatsache, dass die meisten Demonstranten Studenten waren. Die Mehrheit der iranischen Studenten ist in Teheran oder anderen Großstädten wie Shiraz und Isfahan. Kleinere Städte und Dörfer haben keine großen Univeristäten, so dass Aktivitäten gegen die Regierung sich nicht über die Studenten verbreiten können.

Zudem sind die Demonstrationen für die Reformbewegung im Iran zu einem Synonym für Teheran geworden, insbesondere mit den nördlichen und westlichen Stadtteilen, die als besonders wohlhabend gelten. Es gibt im Iran eine gewisse Feindseligkeit den reichen Teilen Teherans gegenüber, die es den Reformern erschwert, Iraner aus anderen Teilen des Landes zu integrieren.

Was nun die Hilfe für die Palästinenser betrifft, so gibt es viele Reformer, die sich an die Devise "Iran zuerst" halten - in dem Sinne, dass Irans Wohlergehen und nationale Interessen über diejenigen seiner Verbündeten in Gaza gestellt werden sollten. Auch wenn das nicht bedeutet, dass sie anti-palästinensisch eingestellt sind, reflektiert es doch die Frustration vieler Iraner gegenüber Ahmadinejads Politik. Während des letzten Gaza-Krieges veröffentlichte die reformorientierte Zeitung Kargozaran eine Anzeige, in der sowohl Israel als auch Hamas verurteilt wurden. Das hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Niemand hatte zuvor gewagt, Hamas in den Massenmedien zu kritisieren. Die Mitarbeiter der Zeitung wurden danach bedroht und die Büros geschlossen.

Derartigen Gefühlen zum Trotz könnte es von Vorteil für die Reformer sein, sich an den Demonstrationen zu beteiligen und Solidarität mit den Palästinensern zu bekunden - insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Vorwürfe von Yadollah Javani, dem Chef des Politbüros der Ahmadinejad-treuen Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), der gesagt hatte, dass Clinton, Obama und Israel die Reformer im Iran unterstützen würden. Durch eine Teilnahme am Quds-Tag könnten die Reformer den Konservativen derartige Anschuldigungen gegen sie erschweren.

Die Reformer erhalten möglicherweise Unterstützung durch eine Veröffentlichung auf Irans populärster Nachrichten-Webseite Tabnak. Tabnak berichtet, dass Mohammad Mehdi Zahedi, einst Wissenschaftsminister unter Ahmadinejad, sich 2008 in Indonesien mit seinem israelischen Amtskollegen traf. Auf Ahmadinejad, der sich brüstet, ein scharfer Gegner Israels zu sein, warf das sehr zur Freude der Reformer ein heuchlerisches Licht.

Die iranische Regierung pries die Wahlen in Palästina von 2006, aus denen Hamas als Sieger hervorging, als vollkommen transparent, fair und gerecht. Was die iranische Führung möglicherweise nicht realisierte, ist, dass diese Wahlen und die Art, in der sie abgehalten wurden, auch für die Menschen im Iran ein Beispiel setzten - nun wollen sie dasselbe auch für ihr eigenes Land.

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